FOP 2019

Frauenorchesterprojekt 2019

Das Frauenorchesterprojekt war 2019 so groß wie nie zuvor: 71 Musikerinnen erarbeiteten unter der Leitung von Mary Ellen Kitchens vier Werke, darunter das Klavierkonzert op. 7 von Clara Schumann mit der Solistin Elisabeth Stäblein-Beinlich.

Film

Teaserbild zum Video

2019 enstand ein schöner kleiner Film von Meggie George, der die Atmosphäre des FOP, die Motivation der Macherinnen und die Eindrücke von Mitspielerinnen wiedergibt.
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Presse

„Ein Dirigat voller Demut, Liebe und Dankbarkeit, in dem sich die Musikerinnen frei entfalten können und die Botschaft der Musik die Seelen berührt.“  M.H.

„Shout, shout, up with your song! Cry with the wing, for the dawn is breaking“ – auf diese Zeilen des revolutionären Aufrufs der Dichterin Cicely Hamilton (1872-1952) komponierte Ethel Smyth (1858-1944) im Jahr 1910/11 ihren inzwischen legendären „March of the Women“ und bekannte sich damit offiziell zur militanten Souffragentenbewegung in England. … zum Pressetext von Ulrike Keil

Programm

  • Ethel Smyth (1858 – 1944, England)
    • Ouvertüre zu „The Boatswain’s Mate“ („big concert version“ 1914)
  • Clara Schumann (1819 – 1896, Deutschland)
    • Konzert für Klavier und Orchester a – Moll, op. 7 (1835)
  • Grazyna Bacewicz (1909 – 1969, Polen)
    • 2. Sinfonie (1951)
  • Johanna Doderer (geb. 1969, Österreich)
    • Der große Regen (2007)

Hier entlang zum Programmheft und zur Ausschreibung.

Berichte vom FOP 2019

Die Angst der Flötistin vor dem Beckenschlag

Zugegeben, ein bisschen verstimmt war ich schon, als ich erfuhr, dass ich beim diesjährigen Frauenorchesterprojekt komplett in der Perkussion eingesetzt werden sollte. Verstehe ich mich doch hauptsächlich als Flötistin und hatte meine Vergangenheit als Schlagzeugerin nur ins Spiel gebracht, um die Fülle der Flöten ein wenig zu lichten. Meine Vorstellung war, dass ich das FOP-Wochenende recht entspannt auf der Position Flöte III verbringen würde, um dann bei Gelegenheit sanft am Ende eines Stückes die Triangel oder auch ein Becken zu schlagen.
Nun hieß es aber fulltime Schlagwerk. Die Noten kamen und machten es zunächst nicht besser: Eine ganze Fülle von Instrumenten war nötig, Pauken, große und kleine Trommel, Glockenspiel, Triangel, Tempelblock und diverse Becken. Ethel Smyth, die ich vom letzten Jahr her kannte, Johanna Doderer und Grazyna Bacewicz, die mir ganz neu waren. Die Stücke waren höchst unterschiedlich notiert – würde ich mich da durchfinden? Die Aufregung stieg.
Der Kontakt zu den Mitspielerinnen – zwei Profi-Schlagzeugerinnen – brachte erst einmal Beruhigung. Elke teilte die Noten auf, mit Katharina wurden die mitzubringenden Instrumente geklärt. Aus Hessen, Bayern und Berlin reisten Hardware und Instrumente an und bildeten im Saal der Kirchengemeinde Genezareth einen rund 6,5 m² großen Käfig, der für die nächsten Tage unser Lebensraum werden sollte.
Rasch wuchsen wir drei zu einer Gruppe zusammen. Als es für die Stimmprobe keinen Raum gab, verzogen wir uns flexibel in die Küche und übten dort unsere Einsätze. Improvisation war auch gefragt, als ein ordentlicher Trommelschlegel fehlte: über Nacht wurde aus einer Jonglierkeule und Filz ein adäquater Ersatz erstellt und eingestimmt.
Wir markierten die Noten, organisierten uns an den Instrumenten, tauschten Abschnitte, wechselten von Becken an Trommel, von Triangel an Glockenspiel, von einem Pult zum nächsten und dann hieß es: zählen, zählen, zählen. Doch auch hier war ich in der Gruppe aufgehoben, ich glitt durch die Stichnoten, Katharina und Elke atmeten mit, kleine Gesten und kurze Blicke, die präzisen Einsätze der Dirigentin Mary Ellen Kitchens: ich zählte nicht mehr, ich musizierte.

Die von Mary Ellen Kitchens ausgewählten Stücke waren Entdeckung, Herausforderung und Genuss zugleich. Im Schumann-Jahr musste Clara ran. Klar, die kennt doch jede/r? Aber wie bekannt ist eigentlich ihr Klavierkonzert, das sie im Alter von 15 Jahren schrieb und selbst uraufführte? Wann und wo kann man es nicht nur im Clara-Schumann-Jahr 2019 hören? Hier waren nur die Pauken gefragt und ich hatte den Luxus, dem Orchester und dem Solospiel von Elisabeth Stäblein-Beinlich zuzuhören.
Ethel Smyth hatte ich schon letztes Jahr kennen- und liebengelernt. Dieses Jahr war es ihre Ouvertüre zu „The Boatswain’s Mate“, in die sie ihren „March of the Women“ raffiniert eingeknüpft hat. Für mich bedeutete das, über 100 Takte zu zählen, um dann mit einem präzisen Beckenschlag die ganze Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. Selten war ich so aufgeregt, aber mit Unterstützung der Mitspielerinnen und einem klaren Signal von Mary Ellen klappte es. Solche einen Effekt habe ich bei der Flöte noch nie erlebt.
Wundervoll ist die Zweite Sinfonie der polnischen Komponistin Grazyna Bacewicz, einer Violinistin, Pianistin und Komponistin. Als Schülerin von Nadia Boulanger war sie in vor allem in Polen und Frankreich bekannt. Wir spielten drei der vier Sätze, die dicht, komplex und voller Stärke komponiert sind, schon in der Moderne. Die Sätze bergen überraschende Klänge und Wendungen, bis hin zur totalen Ruhe. Noch nie habe ich jemanden so leise und exakt auf der kleinen Trommel wirbeln hören, wie Katharina. Der dritte Satz der Sinfonie ist ein veritables Paukenkonzert, das Elke souverän meisterte. Wir waren glücklich und Mary Ellen schenkte uns einen Sonderapplaus.
Johanna Doderers „Der Große Regen“ aus dem Jahr 2007 erzeugte weite Klangteppiche und forderte wiederum eine völlig andere Art der Interpretation. Für uns Schlagwerkerinnen bedeutete das Stück ein ständiges Wechseln der Instrumente, ein Tanz zwischen Schlegeln, Hockern und Trommeln. Trotz der kurzen Probenzeit funktionierte es und allmählich erschien es mir fast ein wenig banal, mit nur einem einzigen Instrument auf dem Stuhl zu sitzen und eine Melodie zu spielen…
Fazit des Wochenendes: Ich habe neue Fähigkeiten in mir gefunden sowie eine andere Form des Lampenfiebers und der Konzentration. Ich habe wundervolle Musikerinnen kennengelernt und neue Stücke und Komponistinnen entdeckt.

Vieles klingt immer noch nach. Es ist eine großartige Erfahrung, mit fast 80 Frauen zusammen ein intensives musikalisches Wochenende zu verbringen. Mary Ellen Kitchens als Dirigentin vereint Strenge, Begeisterung und Motivation und vollbringt damit das Wunder, in rund 48 Stunden mit einer völlig neu zusammengesetzten Gruppe vier höchst anspruchsvolle Stücke zu erarbeiten.
Und nun bin ich wieder Zuhörerin in den Konzertsälen Berlins. Mein nächstes Konzert sind die Berliner Philharmoniker mit der Ersten Sinfonie von Mahler. Dies ist eines meiner Lieblingsstücke, ich habe es schon oft von verschiedensten Orchestern gehört. Doch bei aller Freude drängt eine leichte Unzufriedenheit in mir hervor. Warum ist es so leicht, dieses Stück ständig zu erleben, in Berlin sogar an einem Wochenende von zwei verschiedenen Orchestern? Sorry, lieber Gustav, aber ist das nicht ein wenig zu viel? Warum werden nicht Werke von Komponistinnen aufgeführt, nicht mal als „Beiwerk“ zum traditionellen Kanon, so wie es der Zeitgenössischen Musik oft ergeht. Warum wird an keinem Opernhaus die wundervoll witzige Oper „The Boatswain’s Mate“ von Ethel Smyth „entdeckt“, wo man doch ständig männliche Werke ausgräbt? Wieso gibt es immer und überall dasselbe und selbst in der Moderne sind die Stücke größtenteils von Männern?
Hier zeigt sich die eigentliche Mission des Frauenorchesterprojektes. Es geht nicht nur darum, ein Wochenende zusammen zu musizieren. Die unbekannten und vergessenen Komponistinnen sollen sichtbar werden, indem ihre Werke aufgeführt werden. Hierfür braucht es ein hohes Niveau, um den Kompositionen gerecht zu werden. Die Mischung aus Profifrauen und erfahrenen Amateurinnen ist genau richtig und sorgt dafür, dass in rund zwei Tagen ein aufführungsreifes Programm entsteht.

Der Erfolg zeigt sich u.a. an den Anfragen, die auf die Arbeit folgen. Das Bay Area Rainbow Symphony (San Francisco) spielt z.B. gerne Werke von Elfrida Andree und Ethel Smyth, für die das Frauenorchesterprojekt Noten erstellen ließ. Mary Ellen Kitchens leitet weitere Orchester in Süddeutschland und bringt hier Werke von Frauen zu Gehör. Immer wieder landen bei ihr oder beim „Archiv Frauen und Musik“ Anfragen von anderen Orchestern nach (bewerteten) Listen von Orchesterwerken von Komponistinnen. So wird ein kleiner und stetiger Weg gelegt, um die früheren und jetzigen Komponistinnen sicht- und hörbar zu machen.
So soll es weitergehen, der Termin für 2020 steht bereits fest. Mit meinen Mit-Schlagzeugerinnen bin ich immer noch in regen Kontakt und hoffe, dass wir auch nächstes Jahr ein Team bilden werden.
Und ganz nebenbei: Zu Mahlers Erster kann ich ja zwischendurch trotzdem wieder gehen. (Kerstin Schilling)

FOP 2019: Rückmeldungen nach dem Konzert von Spielerinnen und ZuhörerInnen

Liebe Beatrice, ich habe diese mail erst jetzt gelesen, weil mal wieder die W-lan Verbindung ausgefallen war. Ich bin also schon längst wieder zuhause und nutze gleich die Gelegenheit um Dir zu sagen, wie begeistert ich von euch allen war und bin. Ich bin heute morgen ganz glücklich aufgewacht, voller Dankbarkeit, dass ich bei diesem Projekt mitmachen durfte und eure Gemeinschaft kennenlernen durfte und dass sich diese Notenblätter, mit denen ich mich so widerwillig befasst hatte, sich plötzlich zu so beeindruckender Musik entfaltet haben, das war ja unglaublich. Und über Allem stand dein Organisationstalent. Vielen Dank für alles! (G.H.)

Liebe Beatrice, leider habe ich mich gestern nach dem Konzert nicht mehr persönlich verabschieden können. Daher bedanke ich mich per Mail für das wunderbare Wochenende mit dem Frauenorchester und der Frauenmusik! Es war eine herzliche Atmosphäre, eine super Organisation und ein stimmungsvolles Konzert! Die drei Tage in Berlin werden noch lange nachhallen. Liebe Grüsse (D.P.)

Liebe Bea, im allgemeinen Rummel und Aufbruch nach dem Konzert kam ich nicht mehr dazu, tschüss und danke zu sagen – das hole ich jetzt nach!
Als Neuling, die wirklich vorher niemanden von Euch persönlich kannte, fand ich die nette und unkomplizierte Atmosphäre sehr angenehm und hatte Spaß an zwei Tagen intensivem Musikmachen mit Werken, die ich – bis auf Clara – überhaupt nicht kannte! Aber das ist ja eben auch die Mission… Auch Organisation und Verpflegung war prima bzw. lecker. Wenn es mir zeitlich möglich ist, bin ich gerne wieder dabei! Ich hoffe, dass auch die anderen Reisenden heute gut ankamen – ich war mit nur zwanzig Minuten Verspätung in Bremen trotz sturmbedingt ausgefallenem IC – schließlich gibt es ja noch das Metronom… Liebe Grüße, (B.A.)

Liebe Beatrice,
das war ganz wunderbar heute, dieses große große Projekt und die tolle Musik. Es hat mir sehr gut gefallen und es war schön, Dich ganz in Deinem Element und in den verschiedenen Rollen zu erleben. Für mich war es der beste und wichtigste Beitrag zum Frauentag – und unfassbar ist so vieles daran.
Toll, dass so viele Zuhörer*innen da waren! Dein Mann deutete schon eingangs an, dass der Platz langsam nicht mehr reicht. Bei Bedarf habe ich zumindest zwei Kulturpartner im Kopf, bei denen ich Möglichkeiten sähe und ggf. vermitteln könnte. aber Ihr seid so viele, vielleicht gibt es längst einen Plan. Mir hat auch das Doderer-Stück sehr gefallen und ich müsste unwillkürlich an zweimal hören dabei denken ….
Last but not least sollte unbedingt auch einmal ein Buchprojekt entstehen und die vielen interessanten Komponistinnen vorstellen. Tolle Geschichten sind ja damit verbunden – und auch das hat mir gefallen, dass einige davon Platz in Eurem Programm gefunden haben.
Dir noch einen schönen Sonntag, herzliche Grüße (F.W.)

Vielen Dank für diese beseelte und fein gearbeitete Musik – ertappe mich bei dem spontanen Gedanken, ob Eurer Energie und und und, die mich noch immer erfüllt, wie es möglich werden könnte, aktiv mit dabei zu sein. Candida machte mir Mut und also schreibe ich Euch, schreibe ich an Dich mit der Frage, was zu tun sei. Ich danke Dir und ich danke Euch schon jetzt, mir antworten zu wollen. Gruß durch den Sonntagabend, (D.W.)

Es war wirklich eine sehr tolle Atmosphäre bei eurem Konzert, irgendwie so ausgelassen und gleichzeitig energiegeladen und inspirierend. (L.J.)